Dienstag, 27. Oktober 2009

Neue Krankenkasse

Vor einigen Tagen bekam ich einen Brief von der DAK, der mich in begeistertem Tonfall darüber informierte, daß meine Kasse jetzt noch mehr Leistungen übernehme. Mittlerweile arbeite die DAK nicht nur mit vielen alternativen und furchtbar "natürlichen" Heilpraktikern zusammen, sondern komme auch für die Behandlung bei von der Kasse anerkannten Homöopathen auf. Allein die Tatsache, daß die DAK überhaupt irgendeinen Homöopathen wider jegliche wissenschaftliche Fundierung anerkennt, hat mich entsetzt. Aber daß ich mit meinen Beiträgen für die Quacksalberbehandlung anderer Versicherter aufkomme, sehe ich erst recht nicht ein. So hat die DAK es mit einem Werbebrief geschafft, mich als Kunden zu verlieren. Glückwunsch.

Kann mir jemand eine Krankenkasse empfehlen? Vorzugsweise eine, die ihre Leistungen auf Therapien der evidenzbasierten Medizin beschränkt und die Bezahlung von Geistheilung, Handlauflegen, Warzenbesprechen und dem Austreiben böser, krankmachender Dämonen den Kunden überläßt.

Hier noch ein bißchen thematisch passende Unterhaltung:



PS: Diese britische Comedy-Truppe ist ohnehin zu empfehlen. Dem Repertoire nach zu urteilen, könnten die glatt einer britischen Ausgabe der GWUP angehören.

Freitag, 25. September 2009

Verbote und Schwermut

Der Ulpan ist vorbei. Beim Abschlußtest, der mit 35 Prozent in die Gesamtwertung eingeht, habe ich am letzten Tag noch einmal schön meine Note runtergezogen. Allerdings habe ich mit 87 Punkten noch immer die zweitbeste Note der ganzen Kursstufe bekommen. Offensichtlich war der Test überdurchschnittlich schwierig. Außerdem hatte ich am Ende einfach keine Lust mehr, noch einmal Korrektur zu lesen. Acht Wochen Intensivkurs mit Prüfungen an jedem zweiten Tag sind wirklich genug. Zum Ende hin ist mir schlicht die Puste ausgegangen.

Mittlerweile bin ich in meiner kleinen Herberge im Zentrum Jerusalems angekommen. Das Zimmer ist zwar etwas teuer, aber ich bin froh, aus meinem Wohnheim entkommen zu sein. Bei der Wohnungsabnahme wurde mir doch tatsächlich mitgeteilt, daß Fenster sei zu dreckig und müsse daher kostenpflichtig geputzt werden. In der Tat sieht es so aus, als sei es noch nie geputzt wurden. Allerdings wollte ich nicht akzeptieren, daß das meine Aufgabe sein sollte, der ich gerade einmal vor einem Monat in diese Müllhalde gezogen war und erst wieder einen bewohnbaren Ort daraus gemacht habe. So ähnlich habe ich das dem Mann von der faschistoiden Wohnheimsverwaltung auch mitgeteilt (auf Hebräisch!), und am Ende hat er sogar nachgegeben. Niels hatte da weniger Glück. Er muß 60 Euro für einen fehlenden einfachen Holzstuhl zahlen, der Zeit seines Aufenthalts überhaupt nie dagewesen war. Überhaupt haben es die Reparaturkosten in sich: 60 Euro für die Fernbedienung der Klimaanlage, 40 Euro für eine Sesselpolsterung aus Plastik, 40 Euro für ein Fensterschloß (das MacGyver sogar ohne Büroklammer knacken könnte).

Das passiert wohl, wenn man Studentenwohnheime privaten Betreibern überläßt. Das führt dann neben überzogenen Preisen auch zu absurden Mietverträgen. Beispiele:

Punkt 7 des Vertrags: Die Verwaltung darf jederzeit und unangemeldet in die Wohnungen und die einzelnen Zimmer, auch in Abwesenheit des Bewohners.

Punkt 11: Das Verrücken von Möbeln ist verboten; sogar im eigenen Zimmer. Mir wurde auch nicht gestattet, eines der Betten aus den vier leeren Zimmern auszuleihen, obwohl ich bereit war, dafür zu bezahlen.
Das Mitbringen eigener Möbel ist verboten. Das Beschädigen von Wänden (worunter auch das Anbringen von Stecknadeln und Klebestreifen gezählt wird) ist verboten.

Punkt 16: Auch Alkohol ist im Wohnheim verboten („Any consumption of drugs and alcoholic beverages in the dorms is prohibited“). Das hält den wohnheimseigenen Mini-Supermarkt jedoch nicht davon ab, Bier und auch hartes Zeug wie Arak oder Wodka zu verkaufen. Ob die Verwaltung gelegentlich Spitzel im Laden versteckt, die dann jeden beim Blockwart, äh, Hausmeister denunzieren, der Alkohol gekauft hat?

Punkt 17: Wer nach Verlassen des Wohnheims persönliche Gegenstände zurückläßt, muß Aufbewahrungskosten von 5 Prozent der Miete pro Tag(!) zahlen. Buch vergessen, nach zwei 10 Tagen bemerkt. Das macht dann eine halbe Monatsmiete. Dann doch besser das Buch neu kaufen, denn nach 30 Tagen darf das Wohnheim mit den zurückgelassenen Gegenständen verfahren, wie es will, und das ohne den ehemaligen Bewohner zu informieren (obwohl sie aufgrund der Registrierungsdaten jede Möglichkeit dazu hätten).

Und nun mein Favorit: Punkt 10 „Öffentliche Ordnung und Sicherheit“: Das Verursachen von Unannehmlichkeiten für andere Bewohner ist verboten („causing any sort of nuisance or discomfort“). Jegliche politische Aktivitäten sind auf dem Gelände des Wohnheims verboten, dazu gehört auch die öffentliche Meinungsäußerung („public expression of opinions, including via attire, behavior, or any other way“). Tadaaa. Unter Punkt 20 gesteht sich die Verwaltung übrigens das Recht zu, Bewohner beliebig aufgrund „sozialer Inkompatibilität“ auf die Straße zu setzen.

Alles in allem kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, daß dieser Mietvertrag nach israelischem Recht überhaupt zulässig ist. Man wird seinem Mieter wohl kaum den Verzehr völlig legaler Speisen (wie Bier) verbieten können. Mein Vermieter kann von mir schließlich auch nicht fordern, auf Brot zu verzichten.


And now for something completely different:

Heute war ich auf dem Machane Jehuda-Markt (dem „Schuk“) in Jerusalem und habe lecker Mangos, Weintrauben, Äpfel, Gurken und Tomaten gekauft. Obst und Gemüse sind ausgesprochen günstig auf dem Markt und geschmacklich nicht zu vergleichen mit dem, was man bei uns in den meisten Supermärkten kaufen kann. Hier esse ich sogar die Zucchinis.
Die Mangos (aus den Plantagen vom See Genezareth) sind grandios und kosten zudem nur einen Bruchteil der aus Brasilien importieren, grünen Steine, die man in Deutschland bekommt. Dazu habe ich mir dann noch ofenfrisches süßes und geradezu lächerlich günstiges Gebäck gegönnt.



Das Bummeln über den Markt macht wirklich Spaß, obwohl man es freitags kaum als Bummeln bezeichnen kann. Eher als Vorangedrängt werden. Dafür ist es kurz vor Schabat billiger. Wenn man nicht gerade in die Gasse der Fisch- und Fleichhändler einbiegt, duftet es überall nach Gewürzen, und vor lauter Reizüberflutung durch die überquellenden Haufen von Obst, Gemüse, Kräutern, Gewürzen und Süßigkeiten weiß man gar nicht mehr, was man eigentlich einkaufen wollte.

Aber es ist nicht alles himmlisch auf dem Markt:

Denn wie man sieht, verkauft auch der Teufel hier seine schwefligen Produkte, und das in satanischer Vielfalt.
Zum Glück konnte ich mich nach dem waghalsigen Schießen dieses infernalischen Bildes unversengt aus dem Staub machen. Nur der marternde Geruch sollte mir noch Lange in der Nase bleiben.

Zum Abschluß blieb ich meiner Tradition treu, an jedem Tag in der Stadt (zumindest im Sommer) bei einem der Saftstände haltzumachen. Mein Tip: Limonana; frischgepreßter Zitronensaft mit Minze und Eis.


Übrigens stimmt es nicht ganz, daß Juden nicht missionieren. Sie missionieren nur keine Gojim. Innerjüdisch wird missioniert, daß sich die Schläfenlocken kräuseln, und auf dem Markt bin ich jedes Mal froh, offensichtlich nicht zur Zielgruppe zu gehören und deswegen nicht von den frommen Männern mit den Bärten belästigt zu werden.

Soviel erst einmal für heute. Um meine trotz allem doch etwas schwermütige Stimmung auszudrücken, stelle ich hier noch ein wunderbar melancholisches Lied rein, das ich ständig höre:

Mittwoch, 23. September 2009

Lieder und Tränen zum Abschied

Der Ulpan neigt sich dem Ende zu. Es bleibt lediglich der große Abschlußtest am morgigen Tag, und so langsam legt sich auch klammheimlich eine gewisse Abschiedsstimmung über die Veranstaltungen. Gestern hatten wir unsere letzte Musikstunde. Ich lerne gern mit Hilfe von Musik, aber das gemeinsame Singen hat mir bisher nicht so gut gefallen, weil ich in diesen Stunden immer den Eindruck hatte, außerhalb der Gruppe zu stehen. Die Gesangslehrerin mußte zumeist lediglich den Titel eines Liedes ansagen oder die ersten Töne auf dem Klavier anstimmen, und schon haben alle mitgesungen. Und ich saß zwischen singenden Amerikanern und suchte in meinen Unterlagen nach dem Liedtext, der mir genauso wenig vertraut war wie die Melodie. Mittlerweile, am Ende des Ulpans, sind mit die Lieder immerhin ebenfalls bekannt. Allerdings saß ich gestern neben einer gemischten Gruppe aus Franzosen und Amerikanern, die ganz offensichtlich vorher eine Wette abgeschlossen hatten, wer am lautesten falsch und vor allem mit stärkstem Akzent singen kann. Diesmal haben die Amerikaner sogar gewonnen, denn die Dame zu meiner Linken hat dermaßen laut Anglo-Hebräisch gebrüllt, daß ich mich konzentrieren mußte, nicht ebenfalls das englische „r“ zu singen.

Damit der geneigte Leser sich einen Eindruck von der israelischen Folklore bei diesen Gesangsstunden verschaffen kann, stelle ich ein paar der Lieder einfach mal hier rein:







Hier ein ebenfalls altes Lied, aber in einer modernen Version aus "Israel sucht den Superstar":






Hier ein besonders beliebtes:



Auch heute, während des regulären Unterrichts haben wir Musik gehört. Ari, unser Lehrer, hat uns ein Lied mitgebracht, und gemeinsam haben wir den Text gelesen. Es handelte sich um ein Kinderlied, welches er selbst als sehr traurig beschrieben hatte. Hier der Text:

אמא אמרה לי: דני,
ילדי הוא גיבור ונבון
ילדי לא יבכה אף פעם
כפתי קטון

אינני בוכה אף פעם.
אינני תינוק בכיין,
ורק הדמעות, הן בוכות
בוכות בעצמן.

פרח נתתי לנורית
קטן ויפה וכחול.
תפוח נתתי לנורית
נתתי הכל.

נורית אכלה התפוח.
הפרח זרקה בחצר
והלכה לה לשחק
עם ילד אחר.

אינני בוכה אף פעם
גיבור אני, לא בכיין!
אך למה זה אמא, למה
בוכות הדמעות בעצמן?

Hier das Lied:


Und als wir dann vom Text aufschauten, stellten wir zu unserem Erstaunen fest, daß unser 30-jähriger Lehrer an seinem Lehrertisch saß, leise weinte und flüsterte, das Lied erinnere ihn sehr an seine Kindheit.

Um das Ganze zu erklären, habe ich mich mal an einer Übersetzung versucht:

Mutter sprach zu mir: Dani,
mein heldenhafter, kluger Sohn.
Mein Sohn weint niemals,
als wäre er ein kleiner Schwächling.

Ich weine nicht, niemals.
Ich bin kein weinerliches Kleinkind.
Das sind bloß die Tränen, die Tränen, die
von sich aus, alleine fließen.

Ich schenkte Nurit eine Blume,
zart, schön und blau.
Einen Apfel schenkte ich Nurit,
schenkte ihr einfach alles.

Nurit aß den Apfel.
Die Blume warf sie in den Hof.
Und sie ging davon
und spielte mit einem anderen Jungen.

Ich weine niemals,
ich bin ein Held, nicht weinerlich!
Aber warum, Mutter, warum
fließen die Tränen von ganz allein?


להתראות

Auf Wiedersehen, Hebräische Universität.

Sonntag, 20. September 2009

Die Sendung mit der Netha

Lach- und Sachgeschichten, heute mit der Netha, einem Kommunikationskurs, dem Erfinder der Medienwissenschaften, jeder Menge blödsinniger Behauptungen und leider ohne die Maus und den Elefanten.

סיפורי צחוק וענין. היום עם נטע, שיעור תקשורת, הממציא של מדע התקשורת, ערמת שטות ובלי העכבר והפיל, חבל

Das war Hebräisch.

Das ist die Netha.


Die Netha ist Lehrerin. Im Herzen ist die Netha aber Oberfeldwebel. Deswegen brüllt sie die ganze Zeit und läßt niemanden ausreden. Wenn sie eine Frage stellt, erwartet sie immer genau ein Wort als Antwort. Und vielleicht noch ein „Sir“ davor und dahinter.

Die Netha unterrichtet Hebräisch in Jerusalem. Zur Zeit gibt sie einen Kurs zum Thema Kommunikation und Medien. Davon hat die Netha keine Ahnung. Klingt komisch, ist aber so.

Als Expertin unterscheidet die Netha zwischen echten Gesprächen – von Angesicht zu Angesicht – und Gesprächen im Internet. Die sind nicht echt. Was daran weniger echt sein soll, will die Netha nicht sagen. Bei Nachfragen meint sie nur: „Wir sind nicht im Philosophie-Unterricht“. Damit hat sie recht – die Netha. Wir sind eher im Kindergarten oder auf einem Kasernenhof. Und da gibt’s keinen Philosophie-Unterricht. Ist schade, ist aber so.

Bei echten Gesprächen muß man sich an vier Regeln halten – sonst ist man böse, sagt der Paul, Paul Grace, sagt die Netha. Eigentlich sagt er das nicht, der Paul. Aber der Paul war Philosoph, und die Netha gibt ja keinen Philosophie-Unterricht. Der wäre ja auch nicht echt, denn echt ist das Gegenteil von philosophisch. Sagt die Netha. Klingt blöde, ist aber so.

Das ist der Harold. Der Harold wohnte in einem ganz kalten Land, in dem es außer dem Harold nur Wälder, Bären und Lachse gab. Eigentlich ist das noch immer so. Außerdem hat der Harold die Medienwissenschaft erfunden – sagt die Netha.

Offensichtlich kennt die Netha weder diesen Harold:




Noch den Paul:


Noch diese Herren:





Er hier war ebenfalls früher da als der Harold.

Allerdings war er eher ein Mann der Praxis.







Der Harold, also der aus dem Land mit den Lachsen, war ein sehr kluger Mann. Denn er hat nicht nur viel gelernt, sondern auch viel gedacht, sagt die Netha. Früher, als es noch keine Schrift gab, konnten die Menschen nicht so viel denken. Die Netha sagt, damals mußte man sich den ganzen Tag erinnern, um nicht alles zu vergessen. Erst als man alles wichtige, zum Beispiel die eigene Telephonnummer, aufschreiben konnte, hatte man Zeit zum Nachdenken. Das war die sogenannte Wissensrevolution. Klingt absurd, ist aber so.

Die Netha sagt, der Harold sagt, das dominante Medium einer Gesellschaft bestimme die Regierungsform. Es gebe demokratische Medien, die sind dezentral mit großer Reichweite und von kurzer Dauer, und autokratische Medien, die sind zentral und furchtbar schwer. Steine zum Beispiel. In die wurde was reingeritzt oder gemeißelt. Und weil die keiner tragen konnte oder wollte und weil die Menschen noch zu sehr mit sich Erinnern beschäftigt waren, um gescheite Maschinen zu erfinden, blieben die Steine vor Ort, wo nur der König sie lesen konnte. Wissen ist Macht, sagt der Sir Francis und auch die Netha, und weil der Bauer im Nachbardorf die Steine des Königs nicht lesen darf, bleibt er dumm und Untertan. Klingt bescheuert, ist aber so.

Autokratische Medien sind also langlebig bei geringer örtlicher Verbreitung. Demokratische Medien hingegen werden weit im Raum verbreitet, nicht aber in der Zeit. Historisch läßt sich das prima belegen. Zum Beispiel mit dem größten Demokraten aller Zeiten. Der GröDaZ hatte einen PR-Beauftragten. Den kennen wir schon von dem Bild weiter oben.
Der Joseph hat 1000 Jahre lang das Volk mit einem weitreichenden aber vergänglichen Medium aufgeklärt. Paßt also, was die Netha sagt.


Ansonsten sagt die Netha noch ganz viele andere komische Sachen.
Zum Beispiel, daß ein einzelner Funke eine Tankstelle in die Luft jagen kann.
Oder aber, daß alle Autisten furchtbar begabt sind und den ganzen Tag Musik machen.
Oder aber, daß Demokratien ihre Bürger über alles Wichtige informieren. Zum Beispiel, daß es eine Bankenkrise gibt, damit alle Bürger schnell noch ihr Geld abheben könne.

Und sowas unterrichtet die Netha jeden zweiten Tag für anderthalb Stunden. Klingt komisch, ist es aber nicht.



* Dieser Text wurde nach Veröffentlichung massiv verändert. Allerdings gehört es weder zu unseren Gepflogenheiten, noch kann man von uns verlangen, Sie darüber zu informieren, weswegen wir Sie bitten, diese Anmerkung nach dem Lesen unverzüglich zu vergessen.
Ihre ZEIT-Online-Redaktion.

Donnerstag, 17. September 2009

Die Wahrheit – eine inakzeptable Zumutung

Über das allein für Palästinenser reservierte Flüchtlingshilfswerk (UNRWA) ist die UNO der größte Arbeitgeber in den palästinensischen Gebieten. Dieser völlig aufgeblähte und sinnlose, weil kontraproduktive Moloch allein wäre mehr als einen ausführlichen Blogeintrag wert. Aber immerhin kann die UNO so Einfluß auf die Entwicklung in den Palästinensergebieten nehmen – könnte man meinen. Schließlich betreibt das 'Flüchtlingshilfswerk' jede Menge Schulen, zum Beispiel im Gazastreifen. Als die Hamas dort Wind davon bekam, daß eine Änderung des Curriculums in Erwägung gezogen würde, die auch eine Einheit über die Shoah in den Unterricht einführen könnte, beschwerte man sich beim UNRWA-Direktor in Gaza, John Ging. Mit überzeugenden und nachvollziehbaren Argumenten: Die Shoah sei eine Lüge und über sie wolle die UNO „an den Gefühlen unserer Kinder herumpfuschen“.

Aber natürlich will die UNO nirgendwo herumpfuschen, schon gar nicht, wenn dadurch „die palästinensische Zivilisation und Kultur gefährdet“ werden könne, wie es der Chefredakteur einer Zeitung in Gaza ausdrückte. Und wenn die Wahrheit über den Mord an den Juden tatsächliche eine Gefahr für die „Zivilisation“ in Gaza darstellt, dann kann diese Wahrheit den palästinensischen Kindern und ihren empfindlichen Gemütern wohl kaum zugemutet werden.

Folglich war ein hochrangiger UNRWA-Vertreter auch sogleich mit einem Dementi zur Stelle: Man habe ganz gewiß nicht vor, die Shoah in Schulbüchern zu erwähnen. Gott bewahre! Jeder der daran zweifle, könne sich selbst davon überzeugen.

Ein Glück. Nicht auszudenken, was mit der blühenden Kultur und Zivilisation im Gazastreifen geschehen wäre, wenn die Kinder dort in der Schule nicht nur über die rituelle Opferung von Christen- und Muslimkindern zur Herstellung von Mazzebrot informiert würden, sondern auch darüber, wie die ebenfalls durchaus im Curriculum stehende UN-Menschenrechtsdeklaration von 1948 eigentlich entstanden ist.

Das ist nun wiederum bezeichnend. Was soll man auch von der lächerlichen Geldverbrennungsmaschinerie in New York erwarten, die tatsächlich bereits Länder wie Libyen, China und Kuba zum Wächter über die Menschenrechte ernannt hat?


Quelle: Washington Times

Dienstag, 8. September 2009

In dubio pro reo?

Das kommt ganz darauf an, wer der „reo“, der Angeklagte, ist. In so manchem Parteibüro der Linken und so mancher Antifa-Kaschemme ließ man nach der Meldung vom von einem Bundeswehr-Offizier angeordneten Luftschlag auf zwei entführte Tanklaster in Afghanistan am vergangenen Freitag vermutlich schon die Sektkorken knallen. Endlich hat man ein Massaker, das man der Bundeswehr vorwerfen kann und das die Forderung nach einem sofortigen und bedingungslosen Abzug eindrucksvoll unterstreicht. Und wie bei manch anderem „Massaker“ in den letzten Jahres gilt: Nicht was tatsächlich geschah, ist von Belang, sondern allein wer der ausgemachte Täter ist. Handelt sich um den Westen, speziell Israel oder die USA, sind Beweise vor einer Verurteilung gar nicht nötig. Das galt für das sogenannte Massaker von Jenin, und das scheint jetzt auch für die Bundeswehr zu gelten, wenn man sich anschaut, wie sich europäische Spitzenpolitiker und sogar amerikanische Militärs zur Zeit gegenseitig darin überbieten, einen Luftschlag zu verurteilen, über dessen Folgen noch so gut wie nichts bekannt ist.

Selbst die Opferzahlen variieren von 56 (Bundeswehr) bis 135 (afghanische Menschenrechtsorganisationen). Die Washington Post zählt 125 Tote, obwohl sie das gleiche Problem hat, wie alle anderen, die den Angriff untersuchen: Die Leichen wurden fortgeschafft, bevor die erste Bundeswehrpatrouille den Ort des Geschehens erreichte. Folglich stützen sich diese Schätzungen auf Aussagen von Dritten.

Man weiß also weder, wie viele Tote es gegeben hat noch um wen es sich bei den Toten handelt. Trotzdem werden bereits Entschuldigungen eingefordert, ohne zu wissen, ob es etwas zu entschuldigen gibt. Und den Aussagen des verantwortlichen Offiziers, der erklärt, auf der Basis gesicherte Aufklärungsdaten gehandelt zu haben, wird nicht nur ohne ausreichende belastende Indizien mißtraut, die Potsdamer Staatsanwaltschaft prüft sogar bereits, ob ein Ermittlungsverfahren gegen jenen Offizier eingeleitet wird.

Da wird die Entrüstung der Soldaten in Afghanistan verständlich, die zurecht beklagen, sie könnten einfach nichts richtig machen. Offensichtlich wird von ihnen verlangt, einen unmöglichen Krieg zu führen, einen Krieg ohne Opfer und ohne unschöne Bilder.

Immerhin gibt es einen, der zurecht Kritik einstecken muß: Verteidigungsminister Jung. Doch nicht weil er sich völlig zurecht weigert, vorschnell Soldaten für ein Verhalten zu verurteilen, das noch gar nicht belegt ist, sondern wegen der Art, wie er seine Soldaten verteidigt. Warum bedarf es erst eines durchgeknallten afghanischen Provinzgouverneurs, der den Bundeswehrsoldaten vorwirft, daß sie ansonsten immer nur „dasitzen und weinen“, um wichtige Details über den Luftangriff zu erfahren? Zum Beispiel, daß er sich nicht nur weit entfernt vom nächsten Ort, sondern auch noch um 2 Uhr nachts ereignet hat. Da stellt sich berechtigterweise die Frage, wie die angeblich vielen Zivilisten unter den Toten, darunter Frauen und Kinder, zu erklären sind, insbesondere wenn man bedenkt, daß die Tanklaster gerade erst von bewaffneten Taliban gekapert worden waren.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß der deutsche Offizier einen Fehler gemacht hat. Doch bevor dies nicht bewiesen ist, sollte für ihn wie für jeden anderen, der im Verdacht einer Straftat steht, der Grundsatz gelten, daß im Zweifelsfall zu seinen Gunsten entschieden wird. Von Leuten, die ihre Beurteilung von Verbrechen davon abhängig machen, welcher Ideologie der Täter angehört und beispielsweise nicht müde werden, das Vorgehen Hugo Chavez’ gegen die Opposition in Venezuela zu rechtfertigen, kann man das kaum erwarten, wohl aber von europäischen Außenministern.

Sonntag, 6. September 2009

Was ist eigentlich Biologie?

Irgendwo im Arbeitsvertrag von Dozenten muß geschrieben stehen, daß sie verpflichtet seien, am Anfang des Semesters in jeder Veranstaltung zu versichern, es gäbe keine dummen Fragen („wer nicht fragt, bleibt dumm“, und so). Ein fataler Fehler, wie sich ebenfalls in jeder dieser Veranstaltungen wenige Minuten nach Äußerung dieser völlig ungeprüften und haltlosen Behauptung herausstellt.

Denn es gibt sehr wohl dumme Frage – es gibt jede Menge davon. Dazu gehören beispielsweise solche, die bereits mehrfach beantwortet wurden oder aber solche, deren Antwort man sich selbst herleiten kann, weil sie sich auf eine Regelmäßigkeit beziehen. Und es sind immer die gleichen, die in meiner Klasse fragen, wo eigentlich der Unterschied zwischen „hewdel“ und „hawdala“, „heskem“ und „haskama“, „herkew“ und „harkawa“ liege. Der Unterschied liegt darin, daß es sich bei der einen Form um ein reguläres Substantiv und bei der anderen um die Substantivierung eines Verbs handelt. Das klingt jetzt vermutlich erst einmal etwas hochtrabend, und es mag vielleicht auch anmaßend erscheinen, jemandem vorzuwerfen, das nicht zu verstehen. Aber wenn man seit sechs Wochen lernt, wie die hebräischen Verbsubstantivierungen gebildet werden und diese dazu auch noch ganz einfachen, innerhalb weniger Minuten erlernbaren Konstruktionsregeln folgen, dann ist man doch irgendwann genervt, wenn zum x-ten Mal die gleiche Frage gestellt wird, und man erkennt: Ja, es gibt sehr wohl dumme Fragen.
Die gleiche Dame, die immer wieder diese Fragen stellt und die offensichtlich auch nicht weiß, was Adjektive und was Substantive sind (und wo der Unterschied zwischen beiden liegt) hat mich in einer Pause übrigens mal gefragt, was eigentlich Biologie sei.

Der aufmerksame Leser wird mittlerweile vermutlich das Thema dieses Blogeintrags eruiert haben. Es lautet: nervende Mitschüler.
Das bringt mich zur nächsten Zwischenüberschrift:

Franzosen!

Vor einigen Tagen hat mich mein Lehrer gefragt, ob ich nicht als Emissär (ich werde spätestens ab jetzt Fremdwörter verwenden, wo es nur geht!) meiner Klasse an einer kleinen Besprechung partizipieren möchte, in der die Leitung des Ulpans Rückmeldungen zum Unterricht sammeln wolle. Als dabei schließlich das Thema Atmosphäre in der Klasse zur Sprache kam, erklärten beinahe alle Abgesandten unisono: Die Franzosen nerven. Oh ja, das tun sie, und zwar ungemein. Sie sind laut, sie quatschen, sie zappeln, sie kichern, sie kommen zu spät, sie sprechen Französisch in der Klasse, kurzum: Sie sind Franzosen (die meisten allerdings nordafrikanischer Herkunft). Daß sie kein Wort ohne einen finalen Schwa-Laut zuende bringen (ani-eh medaber-eh iwrit-eh) kann man ihnen kaum vorwerfen, wohl aber ihr ständiges Reingerufe und ihr Grundschulgebaren (das eigentlich auch schon in der Grundschule nicht mehr toleriert werden sollte). Vor einigen Tagen hat meine Lehrerin sogar zwei Schülerinnen separieren müssen (und es handelt sich hier immerhin um post-adoleszente Menschen – zumindest körperlich).

Am schlimmsten ist es aber in meinem Wahlkurs. Da hat sich gleich eine ganze Horde nervender, brabbelnder Franzosen eingenistet, die, sobald die Lehrerin auch nur den Ansatz einer Frage formuliert, sogleich lauthals die antizipierte Antwort in die Klasse brüllen. Frau Feldwebel, wie ich unsere Lehrerin wegen ihres militanten Gerierens (da haben wir so eine kecke Verbsubstantivierung) getauft habe, scheint das jedoch kaum negativ zu tangieren. Im Gegenteil, sie selbst unterbricht jeden Satz ihrer Schüler, sobald das ihres Erachtens entscheidende Wort gefallen ist. Das hat mittlerweile dazu geführt, daß die Hälfte der Klasse schweigend observiert, wie der Herr Feldwebel, weiblich, mit seiner Franzosenkompanie sein Unterrichtsimitat aufführt.

Da mir heute morgen jegliche Motivation für dieses anderthalb Stunden andauernde Malträtieren meiner Nerven und meiner Leidensfähigkeit abging, habe ich kurzerhand mein Kopfkissen gewendet und mir noch etwas Schlaf gegönnt. Anders als Thomas Morus ergebe ich mich schließlich nicht willentlich ins Martyrium (ich schaue zur Zeit „Die Tudors“ – das muß abgefärbt haben).


PS: Um dem Eindruck einer fundamentalen Antipathie gegenüber Franzosen entschieden entgegenzutreten, möchte ich darauf hinweisen, daß mir eine Französin in meiner Klasse durchaus sympathisch ist: Virgenie stammt aus Lyon-eh und muß darunter leiden, daß kein Mensch ihren Namen richtig aussprechen kann (ich weiß ja nicht einmal, ob ich ihn richtig geschrieben habe).

PPS: Das Positive an der ganzen Sache ist vermutlich, daß ich das hebräische Wort für „stören“ wohl nie mehr vergessen werde.

Freitag, 4. September 2009

Himmel über Jerusalem

Ich sitze an meinem Schreibtisch und blicke aus dem Fenster, direkt auf den Felsendom, dessen goldene Kuppel vom Licht der untergehenden Sonne beschienen wird. Was die Aussicht angeht, war der Umzug auf jeden Fall eine gute Entscheidung. Jetzt geht mein Blick nach Südwesten auf die Altstadt und den Ölberg.

Die Sonne ist schon fast untergegangen, und es ist angenehm kühl. Ein beständiger Wind weht. In Haifa habe ich mir letztes Jahr jeden Tag gewünscht, eine Klimaanlage im Zimmer zu haben. Hier benötige ich nicht einmal einen Ventilator. Die Klimaanlage in der Wohnung mache ich lediglich beim Putzen an.


Heute nachmittag habe ich auf einer Wiese hier im Studentendorf gelegen und mir den Himmel angeschaut. Ein interessantes Naturschauspiel: Immer wieder wurde die Sonne von großen, bauschigen Wolken verdeckt, die von Westen zum Skopusberg zogen. Teilweise war es minutenlang schattig und geradezu kühl. Aber wenn ich den Blick ein wenig nach Osten wandte, trübte nicht ein einziges Wölkchen den strahlend blauen Himmel. Die Feuchtigkeit zieht von Westen über die Stadt hoch zum Skopusberg, doch auf dem Gipfel zerfasern die Wolken, lösen sich auf und verschwinden über der Judäischen Wüste. Wenn man oben auf dem Skopusberg steht, kann man gut sehen, wo die Wüstengrenze verläuft. Im Westen gibt es Bäume, Wiesen (gut, die werden bewässert) und Büsche, im Osten sieht man nichts als braune Felsen.


Gerade hat der Muezzin wieder mit seinem Gejaule angefangen. Vielleicht kündigt er das Fastenbrechen an (aber vermutlich nicht, denn dafür dürfte es noch zu früh sein), vielleicht will er mich auch daran erinnern, daß ich noch meine Hausaufgaben machen muß. Bis Sonntag muß ich einen Chibur, einen Aufsatz, schreiben. Wieder einmal. Erst vorgestern sollte ich meine Ansichten zum Ursprung der Armut in der Welt kundtun. Die Themen sagen mir in den seltensten Fällen zu, und häufig ärgere ich mich über die Fragestellungen, die bereits bestimmte Antworten suggerieren. So sollten wir offensichtlich darüber schreiben, daß die Ausbeutung armer Länder durch den Westen an allem Schuld ist – oder aber behaupten, die Armen seien einfach faul. Da mir diese Antworten zu simpel waren, mußte ich natürlich weit ausholen. Ich hoffe, meine Lehrer wissen, wer Max Weber war…


Bei meinem heutigen Aufsatz stehen drei Themen zur Auswahl. Entweder kann ich der in der Frage enthaltenen Behauptung widersprechen, daß in vielen Schulen die Rolle des Lehrers bereits durch einen Computer eingenommen werde (so ein Blödsinn!). Oder ich schreibe über die pluralistische Gesellschaft in Israel und neue Möglichkeiten, wie sich die verschiedenen Kulturen einander annähern können (hier wird offensichtlich das übliche Gutmenschen-Multi-Kulti-Gelaber erwartet). Oder aber ich schreibe über den immensen Einfluß, egal ob gut oder schlecht, von Musik, bzw. von bestimmten Liedern auf Menschen. Na toll. Da kann ich dann auch gleich zu Anfang erst einmal erklären, warum ich schon der in der Frage implizierten Behauptung nicht zustimme.


Jetzt ist es bereits dunkel. Die Sonne verschwindet hier innerhalb weniger Minuten. Die Kuppel des Felsendoms ist nicht mehr zu sehen. Stattdessen blicke ich auf die vielen gelben Lichter der Stadt und die dazwischen verteilten grünen, etwas futuristisch anmutenden Lichter der Minarette. Ich habe Hunger. Vielleicht nehme ich mir auch einfach eine Pita (oder zwei Pitot) und meinen Bottich Humus, dazu ganz israelisches Goldstar-Bier ganz unisraelisch vermischt mit Cola und schaue mir eine Folge „Die Tudors“ an.

Den Aufsatz über den verderblichen Einfluß von Computerspielen, pardon, Musik (oder beliebiger anderer Medien) kann ich immer noch morgen schreiben – sofern mich nicht eine Horde schwarzgewandeter, auch im Sommer pelztragender Verrückter steinewerfend am heiligen Schabat davon abhält.

Freitag, 28. August 2009

Von gemäßigten Fundamentalisten und "großen Lücken"

Ein Kommentar zum Nahost-Konflikt

Es musste ja so kommen. Nachdem bereits seit Monaten in vielen Leitartikeln Verhandlungen mit sogenannten gemäßigten Taliban eingefordert werden, deren Mäßigung gegenüber ihren radikaleren Kollegen vor allem darin besteht, dass sie Schwule lieber hängen würden, statt sie zu steinigen, wird nun in der ZEIT vor den „wahren“ Fanatikern im Gazastreifen gewarnt. Die wiederum unterscheiden sich von der Hamas vor allem dadurch, dass sie im Gazastreifen ein islamisches Emirat ausriefen (ihre relative Mäßigung hat die Hamas am 15. August allerdings nicht davon abgehalten, Anhänger ihrer Rivalen zu exekutieren). Für Israel natürlich ein gravierender Unterschied, wenn man bedenkt, daß sich die Hamas eine solche Proklamation für die Zeit nach der Vernichtung Israels aufsparen will.

Es ist immer das Gleiche: Sobald eine noch extremere Gruppe auftaucht, können sich die übrigen Fundamentalisten darauf verlassen, dass irgendein europäischer Federschwinger ihren Apologeten spielt und sie plötzlich für salonfähig erklärt.

Nun sollen Israel und der Westen also endlich mit der Hamas über die Lösung des Nahostkonflikts verhandeln. Da diese Lösung in Anbetracht ihrer unmißverständlich antisemitischen Charta für die Hamas eigentlich nur aus der Vernichtung Israels und dem Hissen der Flagge des Islam über „jedem Zentimeter Palästinas“ bestehen kann, darf selbstverständlich der Hinweis darauf nicht fehlen, wie „vergilbt“ diese Charta von 1988 sei – so als seien ihre Aussagen mittlerweile längst in Wort und Tat preisgegeben worden.

Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Die Anführer der Hamas lassen keine Gelegenheit aus, den Juden öffentlich ewige Feindschaft zu schwören. Über was also sollte Israel verhandeln? Über die Art der Vernichtung?

Die Forderung nach Gesprächen mit der Hamas wird umso absurder, wenn man bedenkt, dass zur Zeit nicht einmal die Vertreter der „gemäßigten“ Fatah zu Verhandlungen bereit sind. Selbst die Partei des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas wollte es sich Anfang dieses Monats nicht nehmen lassen, auf ihrem Parteitag in Bethlehem nicht nur zu erklären, dass Israel ihren verstorbenen Führer Arafat ermordet habe, sondern auch dass man keinesfalls bereit sei, Israel anzuerkennen. Für Israel kam das kaum überraschend. Immerhin hatte ein Vertreter der Fatah bereits im März dieses Jahres die Hamas aufgefordert, Israels Existenzrecht niemals anzuerkennen.

Man selbst sei als „gemäßigtere“ Partei schließlich auch nicht dazu bereit.

Letztendlich bleibt das Ziel der großen palästinensischen Parteien die Befreiung – die „Befreiung“ Palästinas von den Juden. Das schreibt die Hamas in ihrer Charta, das verkündete die Fatah auf ihrem Parteitag. Und das zeigen auch die Friedensverhandlungen der letzten Jahre. Wenn in deutschen Zeitungen wieder und wieder darauf hingewiesen wird, dass es 2002 ein großzügiges, von der saudischen Regierung vorgelegtes, arabisches Angebot an Israel gegeben habe, das Frieden und eine vollständige Normalisierung anbiete, wird zumeist vergessen zu erwähnen, dass dieses Angebot Israels Hinnahme des uneingeschränkten Rückkehrrechts der palästinensischen „Flüchtlinge“ enthielt, was gleichbedeutend mit dem Untergang des jüdischen Staates Israel wäre.

Trotzdem gingen die Verhandlungen weiter. 2008, während des Annapolis-Prozesses, bot der damalige israelische Premier, Ehud Olmert, den Palästinensern nicht nur beinahe 100 Prozent der Westbank sowie israelisches Territorium im Austausch für die größten jüdischen Siedlungen im Westjordanland, sondern zusätzlich noch die Unterstellung des „Holy Bassin“ (das Areal um die Altstadt, in dem die meisten heiligen Stätten wie der Tempelberg mit dem Felsendom und der al-Aqsa-Moschee liegen) von Jerusalem unter internationale Verwaltung sowie ein begrenztes humanitäres Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge. Abbas’ Antwort auf dieses umfangreiche Angebot war im Mai in der Washington Post nachzulesen: „The gaps were wide“

The gaps were wide? Wenn zwischen dem Angebot der gesamten Westbank inkl. der Aufgabe israelischer Souveränität über Teile Jerusalems und den Forderungen der Palästinenser „weite Lücken“ liegen, stellt sich die Frage, wie diese Lücken überhaupt jemals zu füllen wären. Was sonst noch könnte Israel geben? Abbas’ „The gaps were wide“ als Reaktion zum großzügigsten denkbaren israelischen Angebot, einem Angebot, das weit über alles hinausging, was Natanjahu zu geben bereit wäre, macht die Verhandlungen mit der PLO zur Farce (so sie denn überhaupt stattfinden). Sie beweist, dass auf einer Seite des Verhandlungstischs tatsächlich niemand sitzt, mit dem ein realistischer Frieden, der nicht auf israelischer Selbstopferung beruht, zu erreichen wäre. Die palästinensische Führung hat wieder einmal bewiesen, dass sie keine Gelegenheit verpasst, eine Gelegenheit für den Frieden (und einen eigenen Staat) zu verpassen. Offensichtlich gilt das Prinzip alles oder nichts – und so bleibt es wie seit nunmehr über 60 Jahren, bei nichts.

Ginge es den palästinensischen „Freiheitskämpfern“ tatsächlich um die Freiheit und Autonomie des eigenen statt um die (in der Hamas-Charta geforderte) Vernichtung eines anderen Volkes, dann würden sie statt jüdischen Kindern ihre eigenen Anführer in die Luft sprengen.