Freitag, 28. August 2009

Von gemäßigten Fundamentalisten und "großen Lücken"

Ein Kommentar zum Nahost-Konflikt

Es musste ja so kommen. Nachdem bereits seit Monaten in vielen Leitartikeln Verhandlungen mit sogenannten gemäßigten Taliban eingefordert werden, deren Mäßigung gegenüber ihren radikaleren Kollegen vor allem darin besteht, dass sie Schwule lieber hängen würden, statt sie zu steinigen, wird nun in der ZEIT vor den „wahren“ Fanatikern im Gazastreifen gewarnt. Die wiederum unterscheiden sich von der Hamas vor allem dadurch, dass sie im Gazastreifen ein islamisches Emirat ausriefen (ihre relative Mäßigung hat die Hamas am 15. August allerdings nicht davon abgehalten, Anhänger ihrer Rivalen zu exekutieren). Für Israel natürlich ein gravierender Unterschied, wenn man bedenkt, daß sich die Hamas eine solche Proklamation für die Zeit nach der Vernichtung Israels aufsparen will.

Es ist immer das Gleiche: Sobald eine noch extremere Gruppe auftaucht, können sich die übrigen Fundamentalisten darauf verlassen, dass irgendein europäischer Federschwinger ihren Apologeten spielt und sie plötzlich für salonfähig erklärt.

Nun sollen Israel und der Westen also endlich mit der Hamas über die Lösung des Nahostkonflikts verhandeln. Da diese Lösung in Anbetracht ihrer unmißverständlich antisemitischen Charta für die Hamas eigentlich nur aus der Vernichtung Israels und dem Hissen der Flagge des Islam über „jedem Zentimeter Palästinas“ bestehen kann, darf selbstverständlich der Hinweis darauf nicht fehlen, wie „vergilbt“ diese Charta von 1988 sei – so als seien ihre Aussagen mittlerweile längst in Wort und Tat preisgegeben worden.

Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Die Anführer der Hamas lassen keine Gelegenheit aus, den Juden öffentlich ewige Feindschaft zu schwören. Über was also sollte Israel verhandeln? Über die Art der Vernichtung?

Die Forderung nach Gesprächen mit der Hamas wird umso absurder, wenn man bedenkt, dass zur Zeit nicht einmal die Vertreter der „gemäßigten“ Fatah zu Verhandlungen bereit sind. Selbst die Partei des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas wollte es sich Anfang dieses Monats nicht nehmen lassen, auf ihrem Parteitag in Bethlehem nicht nur zu erklären, dass Israel ihren verstorbenen Führer Arafat ermordet habe, sondern auch dass man keinesfalls bereit sei, Israel anzuerkennen. Für Israel kam das kaum überraschend. Immerhin hatte ein Vertreter der Fatah bereits im März dieses Jahres die Hamas aufgefordert, Israels Existenzrecht niemals anzuerkennen.

Man selbst sei als „gemäßigtere“ Partei schließlich auch nicht dazu bereit.

Letztendlich bleibt das Ziel der großen palästinensischen Parteien die Befreiung – die „Befreiung“ Palästinas von den Juden. Das schreibt die Hamas in ihrer Charta, das verkündete die Fatah auf ihrem Parteitag. Und das zeigen auch die Friedensverhandlungen der letzten Jahre. Wenn in deutschen Zeitungen wieder und wieder darauf hingewiesen wird, dass es 2002 ein großzügiges, von der saudischen Regierung vorgelegtes, arabisches Angebot an Israel gegeben habe, das Frieden und eine vollständige Normalisierung anbiete, wird zumeist vergessen zu erwähnen, dass dieses Angebot Israels Hinnahme des uneingeschränkten Rückkehrrechts der palästinensischen „Flüchtlinge“ enthielt, was gleichbedeutend mit dem Untergang des jüdischen Staates Israel wäre.

Trotzdem gingen die Verhandlungen weiter. 2008, während des Annapolis-Prozesses, bot der damalige israelische Premier, Ehud Olmert, den Palästinensern nicht nur beinahe 100 Prozent der Westbank sowie israelisches Territorium im Austausch für die größten jüdischen Siedlungen im Westjordanland, sondern zusätzlich noch die Unterstellung des „Holy Bassin“ (das Areal um die Altstadt, in dem die meisten heiligen Stätten wie der Tempelberg mit dem Felsendom und der al-Aqsa-Moschee liegen) von Jerusalem unter internationale Verwaltung sowie ein begrenztes humanitäres Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge. Abbas’ Antwort auf dieses umfangreiche Angebot war im Mai in der Washington Post nachzulesen: „The gaps were wide“

The gaps were wide? Wenn zwischen dem Angebot der gesamten Westbank inkl. der Aufgabe israelischer Souveränität über Teile Jerusalems und den Forderungen der Palästinenser „weite Lücken“ liegen, stellt sich die Frage, wie diese Lücken überhaupt jemals zu füllen wären. Was sonst noch könnte Israel geben? Abbas’ „The gaps were wide“ als Reaktion zum großzügigsten denkbaren israelischen Angebot, einem Angebot, das weit über alles hinausging, was Natanjahu zu geben bereit wäre, macht die Verhandlungen mit der PLO zur Farce (so sie denn überhaupt stattfinden). Sie beweist, dass auf einer Seite des Verhandlungstischs tatsächlich niemand sitzt, mit dem ein realistischer Frieden, der nicht auf israelischer Selbstopferung beruht, zu erreichen wäre. Die palästinensische Führung hat wieder einmal bewiesen, dass sie keine Gelegenheit verpasst, eine Gelegenheit für den Frieden (und einen eigenen Staat) zu verpassen. Offensichtlich gilt das Prinzip alles oder nichts – und so bleibt es wie seit nunmehr über 60 Jahren, bei nichts.

Ginge es den palästinensischen „Freiheitskämpfern“ tatsächlich um die Freiheit und Autonomie des eigenen statt um die (in der Hamas-Charta geforderte) Vernichtung eines anderen Volkes, dann würden sie statt jüdischen Kindern ihre eigenen Anführer in die Luft sprengen.