Freitag, 25. September 2009

Verbote und Schwermut

Der Ulpan ist vorbei. Beim Abschlußtest, der mit 35 Prozent in die Gesamtwertung eingeht, habe ich am letzten Tag noch einmal schön meine Note runtergezogen. Allerdings habe ich mit 87 Punkten noch immer die zweitbeste Note der ganzen Kursstufe bekommen. Offensichtlich war der Test überdurchschnittlich schwierig. Außerdem hatte ich am Ende einfach keine Lust mehr, noch einmal Korrektur zu lesen. Acht Wochen Intensivkurs mit Prüfungen an jedem zweiten Tag sind wirklich genug. Zum Ende hin ist mir schlicht die Puste ausgegangen.

Mittlerweile bin ich in meiner kleinen Herberge im Zentrum Jerusalems angekommen. Das Zimmer ist zwar etwas teuer, aber ich bin froh, aus meinem Wohnheim entkommen zu sein. Bei der Wohnungsabnahme wurde mir doch tatsächlich mitgeteilt, daß Fenster sei zu dreckig und müsse daher kostenpflichtig geputzt werden. In der Tat sieht es so aus, als sei es noch nie geputzt wurden. Allerdings wollte ich nicht akzeptieren, daß das meine Aufgabe sein sollte, der ich gerade einmal vor einem Monat in diese Müllhalde gezogen war und erst wieder einen bewohnbaren Ort daraus gemacht habe. So ähnlich habe ich das dem Mann von der faschistoiden Wohnheimsverwaltung auch mitgeteilt (auf Hebräisch!), und am Ende hat er sogar nachgegeben. Niels hatte da weniger Glück. Er muß 60 Euro für einen fehlenden einfachen Holzstuhl zahlen, der Zeit seines Aufenthalts überhaupt nie dagewesen war. Überhaupt haben es die Reparaturkosten in sich: 60 Euro für die Fernbedienung der Klimaanlage, 40 Euro für eine Sesselpolsterung aus Plastik, 40 Euro für ein Fensterschloß (das MacGyver sogar ohne Büroklammer knacken könnte).

Das passiert wohl, wenn man Studentenwohnheime privaten Betreibern überläßt. Das führt dann neben überzogenen Preisen auch zu absurden Mietverträgen. Beispiele:

Punkt 7 des Vertrags: Die Verwaltung darf jederzeit und unangemeldet in die Wohnungen und die einzelnen Zimmer, auch in Abwesenheit des Bewohners.

Punkt 11: Das Verrücken von Möbeln ist verboten; sogar im eigenen Zimmer. Mir wurde auch nicht gestattet, eines der Betten aus den vier leeren Zimmern auszuleihen, obwohl ich bereit war, dafür zu bezahlen.
Das Mitbringen eigener Möbel ist verboten. Das Beschädigen von Wänden (worunter auch das Anbringen von Stecknadeln und Klebestreifen gezählt wird) ist verboten.

Punkt 16: Auch Alkohol ist im Wohnheim verboten („Any consumption of drugs and alcoholic beverages in the dorms is prohibited“). Das hält den wohnheimseigenen Mini-Supermarkt jedoch nicht davon ab, Bier und auch hartes Zeug wie Arak oder Wodka zu verkaufen. Ob die Verwaltung gelegentlich Spitzel im Laden versteckt, die dann jeden beim Blockwart, äh, Hausmeister denunzieren, der Alkohol gekauft hat?

Punkt 17: Wer nach Verlassen des Wohnheims persönliche Gegenstände zurückläßt, muß Aufbewahrungskosten von 5 Prozent der Miete pro Tag(!) zahlen. Buch vergessen, nach zwei 10 Tagen bemerkt. Das macht dann eine halbe Monatsmiete. Dann doch besser das Buch neu kaufen, denn nach 30 Tagen darf das Wohnheim mit den zurückgelassenen Gegenständen verfahren, wie es will, und das ohne den ehemaligen Bewohner zu informieren (obwohl sie aufgrund der Registrierungsdaten jede Möglichkeit dazu hätten).

Und nun mein Favorit: Punkt 10 „Öffentliche Ordnung und Sicherheit“: Das Verursachen von Unannehmlichkeiten für andere Bewohner ist verboten („causing any sort of nuisance or discomfort“). Jegliche politische Aktivitäten sind auf dem Gelände des Wohnheims verboten, dazu gehört auch die öffentliche Meinungsäußerung („public expression of opinions, including via attire, behavior, or any other way“). Tadaaa. Unter Punkt 20 gesteht sich die Verwaltung übrigens das Recht zu, Bewohner beliebig aufgrund „sozialer Inkompatibilität“ auf die Straße zu setzen.

Alles in allem kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, daß dieser Mietvertrag nach israelischem Recht überhaupt zulässig ist. Man wird seinem Mieter wohl kaum den Verzehr völlig legaler Speisen (wie Bier) verbieten können. Mein Vermieter kann von mir schließlich auch nicht fordern, auf Brot zu verzichten.


And now for something completely different:

Heute war ich auf dem Machane Jehuda-Markt (dem „Schuk“) in Jerusalem und habe lecker Mangos, Weintrauben, Äpfel, Gurken und Tomaten gekauft. Obst und Gemüse sind ausgesprochen günstig auf dem Markt und geschmacklich nicht zu vergleichen mit dem, was man bei uns in den meisten Supermärkten kaufen kann. Hier esse ich sogar die Zucchinis.
Die Mangos (aus den Plantagen vom See Genezareth) sind grandios und kosten zudem nur einen Bruchteil der aus Brasilien importieren, grünen Steine, die man in Deutschland bekommt. Dazu habe ich mir dann noch ofenfrisches süßes und geradezu lächerlich günstiges Gebäck gegönnt.



Das Bummeln über den Markt macht wirklich Spaß, obwohl man es freitags kaum als Bummeln bezeichnen kann. Eher als Vorangedrängt werden. Dafür ist es kurz vor Schabat billiger. Wenn man nicht gerade in die Gasse der Fisch- und Fleichhändler einbiegt, duftet es überall nach Gewürzen, und vor lauter Reizüberflutung durch die überquellenden Haufen von Obst, Gemüse, Kräutern, Gewürzen und Süßigkeiten weiß man gar nicht mehr, was man eigentlich einkaufen wollte.

Aber es ist nicht alles himmlisch auf dem Markt:

Denn wie man sieht, verkauft auch der Teufel hier seine schwefligen Produkte, und das in satanischer Vielfalt.
Zum Glück konnte ich mich nach dem waghalsigen Schießen dieses infernalischen Bildes unversengt aus dem Staub machen. Nur der marternde Geruch sollte mir noch Lange in der Nase bleiben.

Zum Abschluß blieb ich meiner Tradition treu, an jedem Tag in der Stadt (zumindest im Sommer) bei einem der Saftstände haltzumachen. Mein Tip: Limonana; frischgepreßter Zitronensaft mit Minze und Eis.


Übrigens stimmt es nicht ganz, daß Juden nicht missionieren. Sie missionieren nur keine Gojim. Innerjüdisch wird missioniert, daß sich die Schläfenlocken kräuseln, und auf dem Markt bin ich jedes Mal froh, offensichtlich nicht zur Zielgruppe zu gehören und deswegen nicht von den frommen Männern mit den Bärten belästigt zu werden.

Soviel erst einmal für heute. Um meine trotz allem doch etwas schwermütige Stimmung auszudrücken, stelle ich hier noch ein wunderbar melancholisches Lied rein, das ich ständig höre:

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